DIE WEISEN NATHAN

Premiere Sprechwerk Hamburg, als Gastspiele im Schnürschuhe Theater Bremen und im Theater in der List Hannover, eingeladen zur Nacht der Kirchen - gefördert durch die Gastpielförderung Niedersachen


„Was ist das für ein Gott, der für sich muss kämpfen lassen?“ Über 200 Jahre alt, hat NATHAN DER WEISE, Lessings berühmter Aufruf zu Toleranz und Menschlichkeit, nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Ein Stück über die drei monotheistischen Weltreligionen und ein humanistischer Appell an die Menschheit:

 

Juden, Christen und Muslime, hört auf, im Namen eures Gottes Kriege zu führen.

Jerusalem, Ende des 12. Jahrhunderts. Der Jude Nathan kehrt von einer Geschäftsreise in die muslimisch regierte Stadt zurück und erfährt, dass seine Tochter Recha

von einem Tempelritter aus seinem brennenden Haus gerettet wurde. Das Mädchen glaubt fortan an einen Schutzengel.

Damit nicht genug wird Nathan, den alle den Weisen nennen, zum Sultan bestellt, der eine Antwort auf die höchst heikle Frage haben will:

Welcher Glaube ist der einzig wahre und richtige? Im Gegensatz zu vielen anderen Inszenierungen von ‚Nathan der Weise‘, die sehr auf der Schwärze von Krieg, Hass und

Tod basieren, möchten wir unsere Fassung hell, leicht und humoristisch gestalten, denn  „HUMOR VERBINDET“ .

 

Es spielen: Kristin Johnstone, Kristina Mücke, Angelika Reiswich und Dominique Marino

Regie: Dominique Marino

Dramaturgie: Kristina Mücke

 

 

Presse: HAZ vom  13.05.18

Ein zeitgenössischer Nathan der Weise

Als „Die Weisen Nathan“ zeigt das Theater in der List eine zeitgenössische Bearbeitung des 1779 veröffentlichten Lessing-Dramas. Die Produktion der Schauspielerin Dominique Marino ist gleichzeitig ihre Premiere in Hannover. Auftritt in weißer Unterwäsche. Vier Frauen taumeln zuckend durch blau ausgeleuchteten Nebel zwischen Stehleitern umher. Ein düster-treibender Synthie-Soundtrack dramatisiert ihren Ausdruckstanz. Am Bühnenrand werfen sie sich hin, schreiben mit Kreide das Credo des Abends auf den Boden: „Sind wir nicht alle Menschen?“ Dann streifen sie sich die Kleidung über, schmücken sich mit den Accessoires, die auf den Leitern hängen. Erst durch das Spitzen-Nachthemdchen, die goldfarbene Kippa und die Tarnfleckhose werden sie zu Recha, zu Nathan, zum Tempelritter und zu den anderen Figuren, die Gotthold Ephraim Lessings Drama „Nathan der Weise“ bevölkern.

Als „Die Weisen Nathan“ zeigt das Theater in der List eine zeitgenössische Bearbeitung des 1779 veröffentlichten Stücks. Die Produktion der Regisseurin Schauspielerin Dominique Marino ist gleichzeitig ihre Premiere in Hannover. Sie gehört künftig zum festen Ensemble des freien Theaters.

Lessing-Remix

Marinos Inszenierung des klassischen Stoffs lässt sich am besten als Remix beschreiben. Gleich zu Anfang verrät sie, dass Recha, die Ziehtochter des jüdischen Geschäftsmanns Nathan und der von ihr als Lebensretter geliebte Tempelritter, Geschwister sind. Noch dazu sind die beiden Kinder des Sultans Saladin, der zur Zeit des dritten Kreuzzugs muslimischer Herrscher über Jerusalem ist. Hier spielt Lessings Original ebenso wie die zeitgenössische Adaption. „Die Weisen Nathan“ folgt dabei keiner linearen Geschichte, sondern springt zwischen den Zeiten. „Ich wollte echt meine Schwester flachlegen“, sagt der Soldat, der abwechselnd von verschiedenen Schauspielerinnen verkörpert wird. Originaltext und zeitgenössische Sprache, mitunter Jargon, wechseln sich ab - genau so, wie die Akteure, die allesamt von Frauen gespielt werden, ihre Rollen durchwechseln.

Das alles sind Kunstgriffe, mit denen Marino das Ausgangsmaterial durcheinanderwürfelt. Performative Einlagen, Auftritte von allen Seiten des Zuschauerraums und ein elektronisch-cineastischer Soundtrack schaffen auf der Bühne eine Dynamik, die das engagierte Spiel der vier Darstellerinnen (darunter auch Marino) positiv unterstreicht.

Für Schulklassen ideal

Schulklassen und allen, denen klassisches Theater zu dröge ist, bietet das Theater in der List damit eine temporeiche Alternative, die überzeugen kann. Liebhabern originalgetreuer Aufführungen wird diese Version wohl weniger gefallen. „Wer die Handlung nicht kennt, der hat es schwer“, konstatiert eine Zuschauerin in der Pause. Sie hat recht. Zumindest die Grundzüge der Geschichte sollten einem geläufig sein, bevor man sich den Remix anschaut. Marino muss sich daher am Ende die Frage gefallen lassen, warum sie´, bei all dem Gewürfel, keine eigene Interpretation anbietet.

Das Theater in der List zeigt „Die Weisen Nathan“ am Sonnabend, 12. Mai, um 20 Uhr und am Sonntag, 13. Mai, um 17 Uhr. Der Eintritt beträgt 18 Euro, ermäßigt 13 Euro. Inhaber des Hannover Aktiv Pass haben freien Eintritt.

Von Mario Moers


Neue Presse 14.05.18  von Christian Seibt

 

Theater mit Performance: "Die Weisen Nathan" - Frei nach "Nathan der Weise" von Gotthold Ephraim Lessing; Konzept & Inszenierung: Dominique Marino (neue Regisseurin & Schauspielerin, zukünftige Mitarbeiterin des THEATERs in der LIST); 4-Personen-Kammerspiel; Performance-Teile: mit Bewegung, Tanz & Gesang; Ein Stück, das die drei Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam zum Frieden aufruft; Neben der klassischen Sprache gibt es, gegenwartsbezogen, umgangssprachliche Textergänzungen (Lessings Originaltexte in gereimter Form und ab und an umgangssprachliche Texte); mit Kristin Johnstone, Kristina Mücke, Angelika Reiswich & Dominique Marino (Regisseurin); Musik: Dexter Britain; Theater in der List (Spichernstraße 13); Hannover-Premiere; Freitag: 11.05.2018; 20.00 - 21.40 Uhr (mit Pause); 40 Zuschauer / Zuhörer (Aussage des Veranstalters)

("Nathan der Weise": 1779 veröffentlicht, am 14. April 1783 in Berlin uraufgeführt)

Ewige Religionskonflikte als Dauer-Baustellen der Menschheit - Theater mit Performance über Toleranz und Menschlichkeit im Theater in der List

 

HANNOVER. "Sind wir nicht alle Menschen" steht in großen Kreide-Buchstaben am Bühnenrand. Die Kulisse ist, wie bei einer Renovierung oder Sanierung, wie eine Baustelle gestaltet: großflächig aufgehängte Plastikfolien und Holzstehleitern. Mehr braucht es nicht für das 4-Personen-Kammerspiel "Die Weisen Nathan" von Schauspielerin und Regisseurin Dominique Marino im Theater in der List. Frei nach dem Theaterklassiker "Nathan der Weise" von Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781), hat sie dessen nach wie vor aktuelles Werk - es behandelt den Aufruf zu Frieden, Toleranz und Menschlichkeit gegenüber Andersdenkenden und -gläubigen - spannungsvoll wie eigenwillig neu inszeniert. Es ist ihre gelungene Antrittsarbeit im Theater in der Spichernstraße, in dem sie zukünftig mitwirkt. Freitagabend war die Hannover-Premiere, am Wochenende wurde ihr Stück ebenfalls zwei mal gespielt. Marino hat Lessings humanistisches Werk, das die drei monotheistischen Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam zum Frieden aufruft und an sie appelliert, aufzuhören im Namen des jeweiligen Gottes Kriege zu führen, mit den Mitteln der Performance verbunden. Beibehalten wurden Zeit, Ort und Handlung: Die Zeit des Dritten Kreuzzugs (1189–1192) während eines Waffenstillstandes in Jerusalem. Neben Lessings klassischer, gereimter Textsprache gibt es, gegenwartsbezogen, auch umgangssprachliche Textergänzungen. Besonders ist, einem Kontrapunkt gleich auf die patriarchischen Gesellschaften: alle Rollen werden von jungen Frauen gespielt. Die Schauspielerinnen Kristin Johnstone, Kristina Mücke, Angelika Reiswich und Marino schlüpfen in die Rollen von Nathan (dem weisen, reichen jüdischen Geschäftsmann), Recha (der von Nathan angenommenen Tochter mit christlicher Herkunft), Sultan Saladin, des (vom Sultan mittels Begnadigung verschonten) jungen, christlichen Tempelherrn, der Christin Daja (der Gesellschafterin der Recha im Hause Nathans) sowie des frommen Klosterbruders. Sehr gut die Idee, das Stück in eine karge Baustelle zu setzen: Die ewigen Religionskonflikte kann man als Dauer-Baustellen der Menschheit betrachten. Die Inszenierung pendelt stilistisch interessant: Da trifft das Schauspiel im klassischen Sinne, wobei auch im Zuschauerraum gespielt wird, auf intensive Bewegungs-Performance und moderne Musik (Dexter Britain), teils mit Gesang. Nathan, vom Sultan ob seiner Weisheit geschätzt, wird hier oft als Duo, das unisono dessen Texte spricht, dargestellt. Schlüsselszenen, wie die Frage des Sultans an Nathan nach der "wahren Religion" ("Ringparabel") und das Ringen des in die "jüdische" Recha verliebten Tempelherrn mit sich selbst aufgrund der (vermeintlich) trennenden religiösen Unterschiede, wirken speziell in dieser Kulisse. Packend auch die Szene, in der der vollständig in Goldfolie umhüllte christliche Patriarch von Jerusalem sagt: "Der Jude (Nathan) soll verbrannt werden!" - trotz seiner vorbildlichen christlichen Nächstenliebe dem christlichen Waisenkind Recha gegenüber. Die Versöhnung von Juden, Christen und Muslimen, die Lessing im "Nathan" mittels seines Kunstgriffs der biologischen Verbindungen der Protagonisten untereinander ermöglicht, lässt Marino auch hier bestehen. Am Ende schöner Applaus. Stück und Inszenierung wirken nach.